Thursday, August 10, 2023
Vor 11 Jahren hat sich mein Leben geändert. Von einer Hochzeit voller Freude bis hin zu einem tragischen Verlust - das Leben hat seine Höhen und Tiefen. Zum Glück habe ich früh gelernt, die kleinen Wunder des Lebens zu schätzen und darüber zu sprechen oder zu schreiben.
Wenige Tage nach der Hochzeitsreise stellte ich fest, dass ich schwanger bin. Genau genommen habe ich es vorher schon gewusst. In meinem Gedächtnis ist ein kurzer Moment gespeichert, vielleicht 30 Sekunden, der mein Leben geprägt hat. Ich liege in Südfrankreich in einem Hotelbett mit Blick auf das Meer und die Sonne geht gerade auf. In mir ging ebenfalls die Sonne auf, ich wusste, dass ich schwanger bin. Der Test ein paar Tage später war nur noch die Bestätigung.
Und dann passierte etwas Sonderbares. Aus Freude wurde plötzlich Angst, was alles schiefgehen könnte, ob ich der Mutterschaft überhaupt gewachsen bin und ob ich das überhaupt will. Chaos im Kopf und im Körper. Habe ich darüber mit jemandem geredet? Nein, natürlich nicht. Als Schwangere freut man sich, alles andere ist verrückt.
Und wie es das Leben dann eben so will, kam es anders. Blutungen haben das nahende Unglück angedeutet und ein paar Tage stand fest: Das Herz hat nicht angefangen zu schlagen.
Dieses Erlebnis hat mich und meine Art zu leben verändert. Ich verdanke diesem ungeborenen Kind, ich nenne sie übrigens Katharina, sehr viel. Natürlich war ich traurig, am Boden zerstört. Haben meine Zweifel dieses Kind vertrieben, bevor es noch richtig da war?
Und eine Zeit lang habe ich, haben wir als Paar, darüber geschwiegen. Zum Glück nur eine kurze Zeit, denn das wäre das noch größere Übel gewesen.
Es ist mir zum Glück recht bald gelungen, Worte für meine Erlebnisse zu finden. Außerdem war ich immer schon offen für die psychotherapeutische Arbeit. Ich wusste, wie heilsam es wirkt, Gefühle beim Namen zu nennen.
Der erneute Kindersegen blieb trotzdem aus. Ich war 36 Jahre alt und die Regelblutung kam jeden Monat pünktlich auf die Minute. Tick, tack, tick, tack….
Von Panik getrieben habe ich meinen Mann gebeten, dass wir künstlich nachhelfen. Das haben wir getan. Wochenlang habe ich Medikamente geschluckt, mir täglich bis zu 3 Hormonspritzen in den Oberschenkel gestochen und ständig wechselndem Personal meine Krankheitsgeschichte erzählt. Rückblickend muss ich sagen, dass die ersten zwei Ehejahre die schwierigsten waren. So eine Behandlung ist auch für Männer eine äußerst unangenehme Angelegenheit. Gleichzeitig ist es eine großartige Chance, über Tabus zu sprechen. Auch hier zeigte sich für uns, wie entlastend es ist, Empfindungen aussprechen zu dürfen.
Die künstliche Befruchterei hat keinen Erfolg gebracht. Die Diagnose „Frau Winsauer, die Medikamente wirken bei ihnen nicht wie wir uns das wünschen“, war der Super-GAU, die größte anzunehmende Katastrophe.
Wusstest du, dass das Wort »Katastrophe« ursprünglich aus dem Griechischen kommt und wörtlich übersetzt „Gegen-Bewegung“ bedeutet? Es setzt sich zusammen aus den Wörtern "kata", was so viel wie "gegen" oder "herab" bedeutet, und "strophe", was mit "Wendung" oder "Bewegung" übersetzt werden kann. Zusammengenommen beschreibt das Wort also eine Art unvorhergesehene Wendung der Ereignisse.
In meinem Fall kam es tatsächlich zu einer unvorhergesehenen Wendung. Wenige Tage nach der niederschmetternden Diagnose wurde ich auf natürliche Art schwanger. Offensichtlich war der Druck weg, weil ja ohnehin nichts hilft.
Die Schwangerschaft lief normal, die Geburt auch und ziemlich genau 3 Jahre nach dem vorzeitigen Ende der ersten Schwangerschaft kam ein kerngesunder, entzückender Florian auf die Welt. Und auch Felix kam 1,5 Jahre später auf natürliche und fröhliche Art zu uns. Die beiden wissen übrigens, dass es Katharina gibt. Warum ich das getan habe? Weil es zu unserer Familiengeschichte gehört. Manchmal spüre ich das Bedürfnis, darüber zu reden, meistens Mitte April, weil Katharina da auf die Welt gekommen wäre. Wenn ich ein paar Augenblicke darüber rede, geht es mir besser, als wenn ich die Gedanken verdrängen müsste. Und warum sollte ich diese prägenden Jahre verschweigen? Außerdem
mögen meine Jungs die Idee, dass sie einen besonderen Schutzengel haben.
Manchmal läuft das Leben anders als es das eigene Ego plant. Das ist zu akzeptieren und in den meisten Fällen auch gut so. Denn wir wachsen dadurch, gewinnen an Stärke. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir uns nach belastenden Situationen Zeit für die Aufarbeitung nehmen. Darüber reden oder schreiben, die Gefühle punktgenau beschreiben und beim Namen nennen, wirkt entlastend. Viele Menschen wollen es tunlichst vermeiden, zu weinen. Warum? Tränen sind wie eine dunkle, prall gefüllte Regenwolke. Die Sonne kann erst wieder scheinen, wenn die Wolke ihre Fracht abgeladen hat.
Und ich persönlich habe das Schreiben wieder für mich entdeckt. 15 Minuten ungefiltert schreiben, mit Stift und Papier. Danach vernichte ich das Geschriebene, damit ich wirklich unzensiert schreibe. Auch das wirkt wohltuend. Und es ist ein enormer Unterschied, ob ich mit der Hand schreibe oder mit den Fingern tippe. Erlebe den Unterschied, du wirst staunen.
Wow, dieser Artikel hat sich in eine unvorhergesehene Richtung entwickelt. Angefangen habe ich mit einer persönlichen Katastrophe und jetzt ende ich quietschvergnügt, mit einem Lächeln im Gesicht und einem altmodischen Lebenstipp. Wer hätte das gedacht!
Schau dir mal diese 3 Möglichkeiten an.